Aufstehen - Auferstehen

Eine Predigt von Andrea Lange

Text: 1 Kor 15,51 (Bibel in gerechter Sprache)
51 Seht, ich sage euch eine besondere Botschaft Gottes: Wir alle werden nicht sterben, aber alle werden verwandelt werden, 52 plötzlich, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune. Sie wird nämlich ertönen, und die Toten werden aufstehen als Lebendige, und wir werden verwandelt werden. 53 Die in der Welt misshandelten Menschen sollen die Lebendigkeit anziehen wie ein Kleid, und die unter der Gewalt leidenden Menschen sollen das Ende der Macht des Todes erfahren. 54 Wenn das Vergängliche Unvergänglichkeit anzieht und das Sterbliche die Unsterblichkeit, dann geschieht das Wort, das in der Schrift steht: Der Tod ist vom Sieg verschlungen. 55 Wo ist dein Sieg, Tod? Wo ist deine Peitsche, Tod? 56 Die Peitsche des Todes ist die Sünde, und die Sünde bedient sich zu ihrer Herrschaft der Tora Gottes. 57 Wir danken Gott, der uns den Sieg schenkt durch unseren Befreier, Jesus, den Messias. 58 Deshalb, meine geliebten Geschwister, steht auf festem Boden, werdet nicht unsicher, denn euer ganzes Leben lang könnt ihr überreich werden, weil ihr der Ewigen Werk tut. Ihr wisst ja, dass eure Anstrengung nicht vergeblich ist, weil die Ewige euch trägt.

Liebe Geschwister,

„Gestern wurde ich mit dir, Christus begraben. Heute erhebe ich mich mit dir, dem Auferstehenden; gestern mit dir gekreuzigt, schenkst du mir deine Herrlichkeit, Erlöser, in deinem Reich.“ (Johannes von Damaskus, Auferstehungskanon) So heißt es im Ostergruß des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft christliche Kirchen ACK, den ich dieses Jahr bekam.

Aufstehen und auferstehen: im Deutschen sind das zwei Worte, im Griechischen ein und dasselbe, ob von Aufstand oder Aufstehen oder Auferstehen gesprochen wird. Also das Aufstehen am Morgen und das Aufstehen Jesu an Ostern. Auferstehen ist bei uns religiöse Sprache, unbewusst signalisiert es: ‚das hat nichts mit meinem Alltag zu tun‘. Umso wichtiger, mir klarzumachen: es ist ein und dasselbe Wort, es umfasst Alltag und Sonntag.
Jeder Tag ist voller Momente der Auferstehung.

Was bedeutet Ewiges Leben?

• Vorgeschmack auf erfülltes Leben, das wir jeden Tag kosten können.
• Kreislauf von Werden und Vergehen
• Etwas, das anfängt, wenn alles andere aufhört
• Verbundensein mit dem Göttlichen, jetzt und immer. Nichts und niemand ist verloren. Wir bleiben in Beziehung zu Gott.

Alle werden verwandelt werden: das meint eine andere Körperlichkeit. In den Ostergeschichten wird immer wieder berichtet, dass der Auferstandene Christus zunächst nicht erkannt wird. Das scheint mit dem Geheimnis, das Paulus verkündet, zu tun zu haben.

Endlich lebendig, so ein Buch der Theologin Clauda Janssen. Sie entfaltet das Thema unter den Überschriften: Erinnern, Schmecken, Säen, Begehren, Widerstehen, Suchen, Sterben, Heilen, Leben. Diesen Stichworten möchte ich im Folgenden auch nachgehen.
Auferstehung öffnet die Gegenwart für das Kommende, sagt Janssen. Auferstehung kann plötzlich das Leben verändern, aber auch in langen Prozessen Wirklichkeit werden.

In dem alten täuferischen Bekenntnis von Schleitheim heißt es: in der Auferstehung zu wandeln – täglich, Schritt für Schritt. In meiner Zeiteinteilung. In Arbeit und Freizeit. In meinem Konsum, als Bürgerin. Und auch in meinem Umgang mit mir selbst: in der Auferstehung zu wandeln.

Erinnern: an die Verstorbenen, uns vorausgegangenen. Es ist tröstlich, zu wissen, dass sie bei Gott aufgehoben sind. Das gilt auch für die an Corona Verstorbenen, wo oft gar kein Abschied möglich war. Heute am Bundesweiter Gedenktag denken wir an die Corona-Opfer: mehr als 78.500 in Deutschland verstorben. 2,94 Mio weltweit - eine unvorstellbare Zahl.

Schmecken: in den Ostergeschichten der Evangelien wird auch gegessen und oft passiert dabei Entscheidendes. Emmaus: mit Christus unterwegs, den Auferstandenen unterwegs erkennen. Auch hier ist wieder vom aufstehen und auferstehen die Rede.Beim Brechen des Brotes erkennen die Jünger den Auferstandenen - in der Emmausgeschichte.

Säen, eine hoffnungsvolle Tätigkeit. Ich habe in diesen Tagen gesät: Kresse, Radieschen, Blumen - und freue mich über die zartgrünen Spitzen. Säen führt uns den Kontrast der Verwandlung gut vor Augen. Etwas muss sterben, damit Neues wächst.

Begehren: Ein sinnlicher Ausdruck von Auferstehung. Gott mit unserem Körper loben. Ich bin wunderbar gemacht!

Widerstehen: wo das Leben bedroht ist und verletzt wird, stehen Christen auf für das Leben. Das betrifft auch Rassismus und Hetze, auch Verbrechen aus rechtsextremer Neigung. Und auch die Gewalt, die der Schöpfung angetan wird, können wir nicht hinnehmen. Es ist Raubbau an der Erde und belastet künftige Generationen. Auch hier gilt: Tue deinen Mund auf für die Stummen!

Suchen: Nach einem Burn-out sich wieder ins Leben tasten. Achtsam für die eigenen Grenzen sein, darauf achten: was tut mir und meinem Körper gut. Arbeit und Einstehen für andere ist wichtig, doch mein eigenes Wohlbefinden auch. Wie können wir einander darin bestärken? Manchmal sind wir so damit beschäftigt, dass doch alles weitergehen muss, dass die Aufgaben erfüllt werden, dass alles stattfindet. Und merken dabei nicht, was auf der Strecke bleibt, wenn Menschen über ihre Grenzen gehen – auch in unserer kleinen emsigen Freikirche. Das Nein achten, den anderen, die andere respektieren, die auf ihre Grenzen achtet und sie darin bestärken. Auch einmal nachfragen: ist es nicht zu viel, was du dir da aufgeladen hast?
Auch das bedeutet, in der Auferstehung zu wandeln.

Sterben: die eigene Endlichkeit bejahen und annehmen. Auch meine Zeit und Kraft ist begrenzt. Doch ich bin nicht allein, ich gehe zu Gott. Ich bin aufgehoben.

Heilen: heil werden, Ganzheit erfahren, auch wenn völlige Gesundheit nicht mehr kommt. Mit schwerer Krankheit leben, ob mit einer chronischen Krankheit oder Krebs oder wiederkehrender Depression: Dennoch Heil erfahren, glauben, dass ich gehalten bin, dass Gott mich hält. Angenommen, so wie ich bin.

Leben: es lohnt, für die gerechte Sache einzustehen. In der Auferstehung stellt Gott selbst sich dazu.

Dass es etwas gibt, das dem Tod die Macht nimmt, ist ein Wunder.

Immer wieder mache ich mir bewusst: das gilt JETZT.

Nicht zuletzt ist Ostern ein Fest der Lebensfreude und die Osterzeit geht ja bis Himmelfahrt. Die Trauer und Lähmung ist vorbei, die Angst wird überwunden. Die Jünger und Jüngerinnen bekommen neuen Mut, ihre Gemeinschaft wird stärker.

Was sind Auferstehungsmomente bei uns:

• Wenn wir uns im Alltag lebendig fühlen.
• Wenn Bewegung in eine festgefahrene Situation kommt, wo alle dachten, da tut sich nichts mehr.
• Wenn wir Lähmung und Resignation überwinden können.

Kürzlich las ich den Roman Kashi: ein erfolgreicher Mann, professioneller Musiker, der sich trotz seiner Erfolge leer und einsam fühlt, und schließlich spirituell erwacht. Paul muss erkennen, wie oberflächlich er bis dahin gelebt hat. Und dass seine Vergangenheit mit einer großen Lüge belastet ist. Dieser Prozess ist schmerzhaft und kostet ihn viel Kraft und auch einige Beziehungen zerbrechen. Doch am Ende ist es ein heilsames Erkennen, das ihm neue Lebensmöglichkeiten eröffnet.

Momente der Auferstehung kommen oft unvermutet, wie es Theresia Hauser beschreibt:

		Unvermutet

		Du kommst 
		wie wir es nicht 
		vermuten 
		Wie ein Blitz 
		zuckst du auf 
		Wie ein Dieb 
		schleichst du dich ein 
		Kommst 
		als schmerzende Flamme 
		Oder als Hauch 
		der unsere Haut streift 
		Der Tag verliert 
		seine Gewöhnlichkeit

		Theresia Hauser

Auferstehung kann plötzlich das Leben verändern, aber auch in langen Prozessen Wirklichkeit werden.

Kurz nach Ostern gab es Schnee und Hagel auf die Frühlingsblumen, für mich war das ein Sinnbild für unseren Auferstehungsglauben, der auch manche harte Probe aushalten muss. Und Humor hilft natürlich dabei!

Sicher kennt Ihr die Peanuts, dieses Comicfiguren, die oft so erstaunliche Einsichten haben. In einer Szene sagt der oft so melancholische Charlie Brown zu seinem Freund:
„Eines Tages werden wir alle sterben“ – „Ja, aber an allen anderen Tagen leben wir.“

Ich wünsche uns allen Gottes verwandelnde Kraft, für unseren Alltag voll Lebendigkeit.

Amen

Andrea Lange
18. April 2021